2007 Herbstreise

Vă dorim o casă de piatră – Wir wünschen Euch ein Haus aus Stein!

Das wünscht man einem Hochzeitspaar in Rumänien – Wir wissen jetzt weshalb.

Reisebericht über die Herbstreise 2007 mit total 22 Personen

18.08.2007 Vorbereitungstreffen
Drei Wochen vor Reisebeginn treffen sich alle ReiseteilnehmerInnen zu einer Vorbesprechung der Rumänienreise. Karl Kempf orientiert über den geplanten Ablauf der Rundreise und über einige rumänienspezifische Sachen.
Da alle TeilnehmerInnen zum ersten Mal nach Rumänien reisen, und die Gruppe hauptsächlich in ländlichem Gebiet unterwegs ist, wird die Fragerunde rege benützt.

10.09.2007 22-er Gruppe unterwegs
An diesem Montag trifft sich die ganze Gruppe im Flughafen Kloten. Wir fliegen mit der ungarischen Gesellschaft MALEV nach Budapest und von dort mit einem kleineren Flugzeug nach Târgu Mureş. Wegen der Zeitdifferenz entspricht die Abflugzeit in Budapest der Ankunftszeit in Târgu Mureş. Auf dem kleinen Flugplatz dieses siebenbürgischen Städtchens starten und landen jeden Tag nur einzelne Flugzeuge. Hier werden wir bereits von einem Guide und dem Chauffeur Ioan erwartet.
Schon am ersten Tag wird unsere Flexibilität ein erstes Mal getestet. Einerseits teilt uns der Guide mit, dass die reservierte Reiseleiterin durch einen anderen, allerdings englischsprachigen, Reiseleiter ersetzt werden müsse. Zusätzlich musste kurzfristig die Unterkunft gewechselt werden. Der neue Gasthof stellt sich als Hotel mit allem Komfort heraus. Gerade das Richtige für den ersten Tag! Nachdem wir die grosszügigen Zimmer bezogen haben, fahren wir noch vor dem Nachtessen ins Stadtzentrum. Kurz vor der Dämmerung erhalten wir einen ersten Eindruck von der prächtig restaurierten Innenstadt. In einem „schimb valutar“ können zu fairen Bedingungen die rumänische “Lei” gewechselt werden.
Zurück im Hotel „President“ besammeln wir uns bald zum gemeinsamen Nachtessen. Wir haben alle einen langen Tag hinter uns und das ungewohnte Reisen hat uns zugesetzt. Umso mehr erfreut uns das reichhaltige Essen. Dazu geniessen wir ein erstes Mal einen rumänischen Weisswein. Dass gleich zwei Reiseteilnehmerinnen am Tag zuvor Geburtstag feiern konnten, ist ein zusätzlicher Grund zur Feier unseres ersten Abends in Rumänien. Wir erheben deshalb die Gläser zum „La mulţi ani“.
Im Mondlicht fallen die rauchenden Schlote der umliegenden Fabriken und Kraftwerke erst richtig auf. Am nächsten Morgen sehen wir auch Kamine aus welchen dicke Rauchfahnen mit intensiv-gelber Farbe aufsteigen. Zuweilen steigt einem kräftiger Schwefelgeruch in die Nase.

11.09.2007 Erste Eindrücke
Zum Frühstück erwartet uns ein reichhaltiges Buffet. Frisch gestärkt und voller Erwartungen sind alle pünktlich beim Bus. Während wir auf den deutschsprachigen Übersetzer warten, der den Reiseleiter unterstützen soll, sehen wir uns auch die Rückseite unseres Hotels an. Hier wird an der Fassade gearbeitet. Die Leute haben aber keine Gerüste, sondern sie hängen in notdürftig zusammengebastelten Seilkonstruktionen. Vor allem in den Städten sieht man das sehr oft: Die Fassade in Richtung der Strassenseite wird herausgeputzt und die Rückseite befindet sich in schlechtem Zustand.
Als um neun Uhr auch „Tibi“, unser Übersetzer, an Bord ist, wird unser Bus von Angestellten des Hotels zurück gehalten. In einem der Zimmer ist nämlich ein Portemonnaie liegen geblieben. Es ist eine sehr schöne Erfahrung für unsere Gruppe, dass das Personal das Portemonnaie zum Bus bringt!
Nach einer Rundfahrt in der Stadt begeben wir uns zum Burghügel. Hier erklärt uns der initiative Pfarrer in engagierter Art die Entstehung der Stadt, der Kirchenburg (sieben Burgen/Siebenbürgen) und seiner Kirche in der Burg. Zum Schluss hören wir eine Kostprobe der soeben fertig restaurierten Kirchenorgel.
Auf der anschliessenden Fahrt übers Land durchfahren wir die für ihre Geigenbaukunst bekannte Stadt Reghin (Szaszregen oder Sächsisch Regen). Da die Anteile der deutsch- und ungarischsprachigen Volksgruppen je über 20 % betragen, sind die offiziellen Beschriftungen 3-sprachig. Von Reghin bis Topliţa fahren wir nun fast 70 Kilometer dem Fluss “Mureş” entlang. Da sich die Dörfer meist auf der anderen Seite des Flusses befinden, sehen wir viele abenteuerliche Konstuktionen von Brücken. Es gibt alles: von mangelhaften Hängebrücken für Fussgänger bis zu den Brücken der Marke „3Bretter/2Spuren“ für Fuhrwerke. An rauchgeschwärzten Dörfern und Pilze feilhaltenden Roma-Familien vorbei gelangen wir nach Gheorgheni. Hier erhalten wir im Gewölbekeller des Gasthauses “Rubin”, vor dem typischen regionalen Gericht, eine „küschtige“ Suppe.
Die nun folgende Strasse ist mit unterschiedlich tiefen Löchern gespickt. Bis auf die Passhöhe müssen alle Autos, auch der Gegenverkehr, immer wieder im Slalomkurs fahren. Auf der Ostseite dieses Karpatenübergangs kommen wir am „Lacu roşu“, zu deutsch „Mördersee“ vorbei. Dieser durch einen Bergsturz entstandene See liegt in einem Gebiet wo viele Bären leben. Beim kleinen Bummel am See sehen wir weder Mörder noch Bären, aber der eine oder andere zieht einen Schuh voll aus dem Sumpf heraus.
Auf der Fahrt durch die imposante Bicaz-Schlucht wird es manchmal so schmal, dass man meint, näher zusammenrutschen zu müssen! Die Strasse geht in engen Kehren steil zwischen den senkrecht aufragenden Felsen ins Tal. Als sich das Bicaz-Tal öffnet, durchqueren wir drei Dörfer, in welchen die Zementfabrik „Moldocim“ allgegenwärtig ist. Vom eigentlichen Ort Bicaz ist es nur noch eine kurze Strecke bis zu unserem Übernachtungsort „Piatra Neamţ“. In der ersten Industriestadt ennet den Ostkarpaten gibt es zwei mehr oder minder renovierte Hotels. Wir wohnen im besseren der beiden, nämlich im13-stöckigen „Central“. Nach dem Zimmerbezug zieht es die einen ins Café nebenan, wo feine Gebäcke genossen werden können. Andere finden zwischen aufgerissenen Strassen rasch eine Beiz in einer Seitenstrasse, wo es einen Schluck Wein oder ein „Ciuc“ oder ein „Ursus“, also ein einheimisches Bier, gibt.
Beim gemeinsamen Nachtessen im Restaurant des Hotels werden uns typisch moldauische Gerichte serviert. Neben dem Salat mit Produkten der Region (Tomaten, Kabis und Gurken) lernen wir die „Tochitura moldoveneasca“ kennen. Das sind spezielle Würstchen und eine Art Voressen mit „Mamaliguţa cu brânza“ (Mais mit Frischekäse). Oder die vegetarische Version: Caşcaval pane mit Tomaten. Heute Abend werden auch die ersten Bekanntschaften mit einem der ausgezeichneten „3Hektaren“-Weine oder einem „Roze cavalerului“ gemacht.

12.09.2007 Jenseits der Karpaten
Heute steht eine relativ kurze Reisestrecke auf dem Plan. Trotzdem ist es wichtig, dass wir uns beim „anmächeligen“ Frühstücksbuffet richtig stärken. Aus dem Café nebenan befinden sich auch feine Süssigkeiten auf dem Buffet.
Durch die fast unendliche Ebene der Moldova gelangen wir nach Roman. Die Stadt Roman ist in vielerlei Hinsicht eine wichtige Stadt in Ostrumänien.
– Eingangs der Stadt der Übergang über den Fluss „Moldova“ der hier, je nach Saison, eine Breite von bis zu 250 Metern aufweist oder die ganze Ebene überflutet.
– Als Kreuzungsort zwischen der Industrieregion im Norden und der wichtigen Strasse in Richtung Bacău-Braşov-Bukarest im Süden, und der Verbindung zwischen den Karpaten und dem Bezirkshauptort Iaşi, bzw. der Grenze zur Republik Moldawien im Osten.
In der Nähe dieser Stadt, nämlich im Ort Pildeşti, besuchen wir eine ganz spezielle Berufsschule. Hier können ca. 150 Kinder und Jugendliche aus armen Familien eine Ausbildung als Schreiner, Installateur oder Schneiderin erlernen. Eigentliche Berufslehren sind in Rumänien fast unbekannt. Die wenigen existierenden Lehrplätze sind so teuer, dass weit mehr als die Hälfte der Familien das sich nicht leisten können. In dieser Berufsschule in Pildeşti setzen sich 6 „La Salle“-Brüder (um Gottes Lohn) und 6 örtliche HandwerkslehrerInnen für die Jugendlichen ein. CarElvetia unterstützt diesen Ausbildungsort mit Verbrauchsmaterial wie Stoffen für die Schneiderinnen und Sanitärmaterial für die Installateure.
Zurück in Roman nehmen wir unser Mittagessen im Restaurant „Mariko Inn“, der rumänischen Version westlicher Gaststätten, ein. Nun führt uns unser Weg auf der alten Strasse weiter gegen Osten durch Wälder und kleine Dörfer mit vielen Fuhrwerken und freilebenden Haustieren, aber auch sogenannt wandernden Romafamilien, wo die ganze Familie mit samt dem Hausrat auf einem hölzernen Planwagen Platz finden muss. Als Kontrast dazu sehen wir im Dorf Grajduri gewaltig grosse Paläste wohlhabender Romafamilien mit reich verzierten Dächern.
Auf Grund der Werkhallen, Garagen und der hier fahrenden öffentlichen Busse spüren wir die Nähe der Stadt Iaşi. Nun geht es durch Strassen mit alleeartig aneinander gereihten Verkaufshäuschen zum Stadtzentrum. Vorbei am Kulturpalast (ehemaliges Schloss des Königs) kommen wir via die zentrale Prachtstrasse namens „Stefan cel Mare“ zu unserem Hotel für die nächsten zwei Nächte. Wenn man das “Hotel Unirea” betritt kann man kaum glauben, dass dieses aus der Ceauşescuzeit stammende Haus in den letzten Jahren eine vom Einstürzen gefährdete Ruine war!
Nach dem Zimmerbezug besammeln wir uns für einen Stadtfahrts-Bummel. Mit dem Bus geht es durch den leichten Regen zum Kulturpalast. Da sich praktisch alles Sehenswerte der Stadt an der einen zentralen Hauptstrasse befindet, können wir uns diese Gebäude und Plätze zu Fuss auf dem Rückweg zum Hotel ansehen: den Kulturpalast, die mächtigen orthodoxen Kirchen mit dem Bischofssitz und die Staatsoper mit einem französischen Park davor. Ein Farbtupfer: Mitten im Verkehrsgetümmel bewegt sich ein unbegleitetes mageres Pferd sicher durch die vielen Autos!

Als es dunkelt begeben wir uns in das nahe gelegene Restaurant „Bolta Rece“ zum Nachtessen. Direkt übersetzt heisst das: „Kühler Gewölbekeller“. Wir aber essen im Hochparterre in einem mittelalterlichen Raum dieser Künstlerkneipe. Hier sollen schon zu Monarchiezeiten die bekanntesten Dichter und Maler verkehrt, gearbeitet und gelehrt haben. Auch heute gehen Künstler und viele Studenten hier ein und aus.
Während wir essen und den angenehm mundenden Hauswein geniessen, spielt eine 3-köpfige Musikergruppe typisch rumänische Volksmusik. Als sie dann auch einige Walzermelodien spielen, verleitet das Einzelne von uns dazu, das Tanzbein zu schwingen.
Als unser Bus zur Rückfahrt zum Hotel bereit ist, entschliessen sich ein paar „Nachtlichtlein“, den Heimweg zu Fuss zu meistern. Der gewählte Fussmarsch soll in einer Gartenbeiz bei mitternächtlichem Philosophieren geendet haben!

13.09.2007 In Răducăneni
Heute besuchen wir Răducăneni. In diesem Ort und seinen Aussendörfern engagiert sich CarElvetia in mehreren Hilfsprojekten. So werden mehrere Gebäude des Dorfspitals Zug um Zug renoviert und neu eingerichtet. Schulhäuser wurden mit Material aus der Schweiz eingerichtet. Dank der Hinweise von dort arbeitenden Schwestern können einzelne Familien gezielt unterstützt werden. Um in dieses ca. 50 km südlich von Iaşi liegende Dorf zu gelangen, fahren wir durch Hügel mit Reben und vielen Steinfruchtbäumen sowie eine lange Strecke entlang der Grenze zur Republik Moldawien. Im beginnenden Regen kommen wir in Răducăneni an und besuchen zuerst den örtlichen Markt. Beim Sozialzentrum empfangen uns Jugendliche mit Brot, Salz und Blumen. Und mit dem Willkommensgruss „Bine aţi venit“. Trotz des nasskalten Wetters geben sich die jungen Leute eine unendliche Mühe, um uns ihre Volkstänze zu zeigen.
In der Primaria (im Gemeindehaus) treffen wir auf den Primar – den Bürgermeister. Er zeigt uns das Lyzeum, also das Schulhaus für die 8.-12. Schulklasse. Dass die EU für ein Schulzimmer PC-Anlagen zur Verfügung gestellt hat, ist sehr schön, bei der herrschenden Unsicherheit der Stromversorgung aber etwas fragwürdig! Uns fallen in den einzelnen Klassenzimmern die dürftigen Beleuchtungen (eben, zuwenig Strom) und die nur punktuell wirksamen Kachelöfen auf. Nach der neu errichteten Turnhalle (Geschenk eines Gönners aus Italien) und einem zweiten Schulhaus sehen wir uns den Kindergarten an. An mehreren Stellen ist das Haus stark beschädigt. Der Holzherd ist in einem katastrophalen Zustand und die Kücheneinrichtung sollte dringend erneuert, bzw. überhaupt erstmalig erstellt werden. Die Klassenräume der Kinder sind freundlich eingerichtet (Vieles stammt aus Schänis).
Nun fährt der Primar mit seiner Gattin zum Spital voraus. Dort schauen wir uns zuerst die „Chirurgie“ und dann das frisch renovierte ehemalige Pädiatriegebäude an. Obwohl hier noch Vieles verbesserungsfähig (Geruchsimmissionen, Ernährung etc.) ist, fühlen sich die hier untergebrachten Patienten wie in einem 5*-Spital. Die neuen Betten (aus Kaltbrunn), die Bettwäsche und die Betreuung durch die freundlichen Krankenschwestern sind ein krasser Gegensatz zum vorherigen Zustand. Auch die ärztliche Betreuung sollte in naher Zukunft verbessert werden können! Ein riesiger Zufall: Eine Reiseteilnehmerin traf auf eine Krankenschwester im Berufskleid mit der Aufschrift „Pflegeheim Linthgebiet“. Es handelte sich genau um den Mantel welchen sie selbst vor Jahren in Uznach getragen hatte! Der Primar zeigt uns das zweite renovierte Gebäude mit der neu eingerichteten Küche (die ganze Einrichtung stammt aus Thalwil), Waschküche (Schulthess-Waschmaschine) usw.
Die Rumänen sind sehr gastfreundlich. Ganz besonders hier auf dem Land. Auch wenn sie selbst nichts haben, versuchen sie, den Gästen trotzdem etwas zu offerieren. So auch hier im Spital. Wir nippen zwar an der „Ţuica“ und versuchen ein paar Apérohäppchen, müssen uns dann aber verabschieden, da wir bei den Schwestern zum Mittagessen erwartet werden. Der Primar und seine Gattin bestehen aber darauf, uns die vorbereiteten Speisen einzupacken. Wir nehmen das Angebot dankend an, denn alles andere würde als Beleidigung aufgefasst. Die frischen Lebensmittel, als Wegzehrung gedacht, können im Kinderhaus der Schwestern gut und direkt eingesetzt werden.
Im Sozialzentrum servieren uns Jugendliche ein Mahl, das in Ostrumänien an Festtagen gegessen wird: Hühnersuppe in welcher ein Hühnerschenkel schwimmt, „Sarmale“ also kleine Kohlwickel mit Fleisch/Reis-Füllung und „Mamaliga“ mit gebratenem Pouletfleisch. Zum Dessert gibts „Prajitura”, das ist verschiedenartiges Gebäck.
Die Gespräche mit den Schwestern und den mithelfenden Jugendlichen und Frauen verlaufen in verschiedenen Sprachen, einfach so, dass man sich einigermassen versteht. Ein jedes von uns Gästen aus der Schweiz erfährt etwas über das Leben in den Familien und die Pläne der Leute hier auf dem Lande. Der bunte Mix aus Informationen der so zusammen kommt, gibt in den nächsten Tagen noch einigen Diskussionsstoff. Bei der Besichtigung der Dorfkirche treffen wir auf eine Orgel die ebenfalls aus Schänis stammt.
Ein paar Worte zu bettelnden Kindern in Răducăneni. Hier im Dorf wissen es die meisten Kinder, und die Schwestern und Kempf’s sagen es den Kindern immer wieder: Wer etwas notwendig hat, ob Bekleidung oder Lebensmittel, kann sich im Sozialzentrum der Schwestern melden. Für Unterstützungen gibt es hier in einem Keller immer eine Reserve von Kleidern und neuen Schuhen aus der Schweiz. Es kommt natürlich auch vor, dass den Kindern die Sachen zu Hause abgenommen werden und dass die Kinder schlecht gekleidet wieder zum Betteln geschickt werden. Speziell wenn, wie heute, viele Ausländer im Dorf sind, wird diesbezüglich rasch gehandelt!
Der heutige Regen hat die Strassen im Dorf in Dreckrinnen verwandelt. Wir können uns ausmalen wie es erst aussieht wenn es einmal richtig schüttet! Auf dem Weg zurück nach Iaşi fahren wir aber wieder dem schönen Wetter entgegen. Da wir in Răducăneni ausgiebig, und sowieso etwas spät gegessen haben, nehmen wir zum z’Nacht etwas Leichtes im Panoramarestaurant unseres Hotels. Nomen est omen! Dieser Ort verdient seinen Namen. Im höchsten Gebäude haben wir einen tollen Rundblick auf die flächenmässig doch sehr grosse Stadt. Der Schreiber dieser Zeilen sucht an diesem Abend, einmal mehr, das Gespräch mit dem sehr schweigsamen Dan! Da ich gewisse Unsicherheiten bei seinen Strassenkenntnissen verspürt habe, besprechen wir intensiv den Routenverlauf des morgigen Tages. Da er meinen Routenvorschlägen durchwegs zustimmt nehme ich an, dass die Fahrt nach Gura Humorului in der geplanten Zeit klappen wird!

14.09.2007 Abenteuerliche Wege
Nach der zweiten Nacht im gleichen Hotel wird allenthalben vor dem Frühstück gepackt. Beim Frühstück ahnen wir noch nicht, welche abenteuerlichen Umwege der „Reiseleiter Dan“ und der Chauffeur Ioan mit uns heute vorhaben. Zuerst fahren wir durch die flache und fruchtbare ostrumänische Landschaft. Aber bald einmal nimmt das Abenteuer seinen Lauf. Ioan kommt von einer falsch gewählten Abzeigung nicht mehr zurück auf die geplante Route. Nach und durch unendliche Baustellenstaus, Naturstrassenerfahrungen, gewaltigen Umwegen und einem 180°-Kehrmanöver, kommen wir schliesslich verspätet zu unserem Mittagessen. Ein „Coci“, ein „Zaraza“ oder eine „Ţuica“ beruhigen einzelne verwirrte Mägen.
Trotz der eingefahrenen Verspätung können wir uns noch die orthodoxen Klosteranlagen von Voroneţ und Moldoviţa ansehen. Im Kloster Moldoviţa erklärt uns Schwester Tatiana, in ihrem bekannt militärischen Stil und doch sehr verständlich, die Bedeutung der Malereien auf der Aussenwand der Kirche. Ihr zackiger Ton ist zwar nicht jederfraus/-manns Sache. Die Erklärungen, auch in der Kirche und im Museum, sind logisch und einleuchtend. Entlang der immer schmäler werdenden Moldova kommen wir unserem Tagesziel näher. Im kleinen Gasthof „Eden“ warten heimelige Zimmer auf uns. Erleichtert stelle ich fest, dass der Anbau nun wirklich fertig gestellt ist. Als ich nämlich im Frühling dieses Jahres die Reise plante, gab es in diesem Gasthof erst acht Zimmer! Nach dem typisch rumänischen Nachtessen im Nebenstübli, das ist meistens Hühnerfleisch und Mamaliga oder Kartoffeln in Variationen, verlässt man die angenehme Ambiance bei der Familie Raţu nicht gerne!

15.09.2007 Perle von Maramureş + Lustiger Friedhof
Kaum haben wir heute morgen Câmpulung Moldovenesc hinter uns gelassen, sehen wir, wie sich die Landschaft verändert. In diesem Tal leben die Leute von der Holz- und Landwirtschaft. Wir sehen grosse Sägereien und Pferdefuhrwerke mit welchen die Milchkannen zu den nächsten Käsereien gebracht werden. Über insgesamt 4 Karpatenpässe wird uns unser Weg heute bis nach Baia Mare führen. Bevor wir den zweiten Pass in Angriff nehmen, machen wir einen Halt bei einer Tankstelle. Während die einen ein Rauchopfer steigen lassen, palavern die anderen mit einem Pilzchauffeur der gut italienisch spricht. Bei den vielen frischen Steinpilzen und Eierschwämmen die am Wegrand angeboten werden leuchtet ein, dass die Pilze camionweise, via Italien auch in die Schweiz, exportiert werden.
Kurz vor der nächsten Passhöhe kommen wir an einer riesigen, sich im Bau befindenden, orthodoxen Kirche vorbei. Da weit und breit kein Haus zu sehen ist wird es sich um eine Art Wallfahrtskirche handeln!? Überhaupt sieht man fast in jeder Ortschaft, dass neue und zusätzliche Kirchen gebaut werden. Für die Religionsausübung besteht offenbar ein Nachholbedarf. Unter der kommunistischen Diktatur Ceauşescus war das Ausüben einer Religion verboten oder allerhöchstens regional knapp geduldet.
Auf über 1400 Meter weht ein sehr kalter Wind, dass wir rasch wieder in den Bus einsteigen. Umso mehr freuen wir uns über die warme Bauernsuppe (ciorba ţarăneasca) im altertümlichen Restaurant “Perle des Maramureş” im Bergbaustädtchen Borşa. Bei diesem Haus wurde in den letzten Jahrzehnten immer wieder etwas angebaut und angehängt. Es sieht alles so schräg und provisorisch aus. Auf der Suche nach einer Herrentoilette bekommen einzelne von uns im Labyrinth der Treppen ein paar Eindrücke der Gästezimmer: Danach beschliessen wir, das Essen in guter Erinnerung zu behalten ohne einen Blick in die Küche geworfen zu haben!
Noch ein Wort zum Ort Borşa: Als es in den 50er-Jahren noch möglich war, sind aus diesem Ort sehr viele junge Leute als Gastarbeiter nach Italien gegangen. Das ist der Grund dafür, dass man hier so viele Autos mit italienischen Nummern sieht. Das sind praktisch alles Rückkehrer von damals oder deren Nachkommen. Überhaupt kann man zu 99% davon ausgehen, dass es sich bei ausländischen Autos um Exil-Rumänen auf Heimaturlaub handelt. Die beliebtesten Länder für Auslandarbeit (bis zum EU-Beitritt konnten Rumänen fast nur schwarz im Ausland arbeiten) sind in dieser Reihenfolge: Italien, Frankreich, Spanien, Deutschland, Irland und Kanada.
Bald befinden wir uns in der Nähe der ukrainischen Grenze. Das sieht man z.B. daran, dass die Bahngeleise je 2 Spuren aufweisen. Die europäische mit 142,5 cm und die russische Spur mit 200 cm. Am anderen Ufer des Grenzflusses „Tysa“ sehen wir ukrainische Rinder weiden. Das Grenzstädtchen Sighetu Maramaţiei wurde bekannt, weil die Deutschen im 2. Weltkrieg hier ein KZ eingerichtet haben. Und weil damals die einzige Brücke die in die Sowjetunion führte, zerbombt wurde. Die 2002 erstellte hölzerne Ersatzbrücke darf wegen des andauernden Nachbarstreites weder befahren noch zu Fuss begangen werden. Von hier stammt auch der Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel.
Unser nächstes Ziel ist der „Lustige Friedhof“ in Săpânţă. Lustig oder fröhlich deshalb, weil die hölzernen Grabkreuze die Geschichte der verstorbenen Personen in Worten und gemalten Bildern erzählen. Da auch allfällige Laster gut sichtbar abgebildet sind, ergibt das eben oft ein lustiges Bild.
Nun nehmen wir den letzten Pass für heute in Angriff. Durch Baia Sprie, dem Ort wo silber- und goldhaltiges Erzgestein abgebaut wird, und wo früher fast ausschliesslich Mineure wohnten, kommen wir in die Ebene von Baia Mare. Wir sehen die Anlagen wo das Erz aus den Minen herausgekarrt und verladen wird.
Es ist bereits dunkel, als wir im Eurohotel ankommen. Die Vorbereitungen für eine Hochzeitsfeier lassen uns eine lebhafte Nacht erahnen. Zu derartigen Feiern sind oft mehrere Hundert Leute eingeladen. Zu lauter Musik wird dann wacker gesungen, getanzt und gestampft. Da aber unsere ganze Gruppe im gut isolierten zweiten Stock wohnt, merken wir vom Lärm der Festmusik fast nichts. Für das Nachtessen fahren wir zur Stadt hinaus, durch ein Roma-Aussendorf am Trinkwasserspeichersee und Kastanienwäldern vorbei, zu einer Forellenzuchtstation. Was vor acht Jahren mit einem Naturbecken im Bergfluss begonnen hat, ist heute eine Zuchtanlage mit über 20 gemauerten Becken wo Hundertertausende von Forellen in verschiedenen Altersstadien wachsen.
Angegliedert wurde ein Restaurant und vor kurzem sogar ein Hotel. Hier geniessen wir Bachforellen welche in einer Mais-Panade gebraten werden. Dazu wird als Hausspezialität eine Sauerrahm-Knoblauchsauce empfohlen.
Hier hat unsere Reisegruppe die Gelegenheit, ausgiebig mit den örtlichen Vertrauensleuten von CarElvetia, Magdalena und Stefan, zu diskutieren. Die beiden begleiten und kontrollieren die Hilfsprojekte von CarElvetia in der Region Baia Mare. Und hier stösst auch ein Schweizer Ehepaar, welches mit dem eigenem Wagen (voll mit Hilfsgütern beladen) hierher gefahren ist, zu uns. Als wir später in unser Hotel zurückkommen, werfen wir durch den Türspalt einen Blick auf die Hochzeitsfeier, die bereits in vollem Gange ist. Gut, dass wir das Programm für Sonntagvormittag vorher im Bus besprochen haben!

16.09.2007 Sonntag in Baia Mare
Der Schreibende ist offensichtlich der erste Frühstückende an diesem Sonntag. Er stellt nämlich fest, dass der Kaffeedispenser nicht funktioniert. Bis weitere Frühaufsteher beim „Micul dejun“ eintreffen, kann das Ding repariert werden. Eine kleine Schweizergruppe macht sich gegen neun Uhr zum Besuch der orthodoxen Hauptkirche auf. Die prächtigen Gewänder der Priester stehen in krassem Gegensatz zur unüblich modernen Innendekoration dieser neuen Kirche. Nach rund einer Viertelstunde verlassen wir die Anbetung und begeben uns auf einen Marsch durch die Häuserblöcke. Fast eine Stunde später treffen wir bei einer Holzkirche ein wo gerade am Aussenaltar eine orthodoxe Messe zelebriert wird. Der Gesang mehrerer Mönche mit ihren mächtigen Stimmen ist weit herum hörbar. Der Strom ankommender Gottesdienstbesucher reisst nicht ab und wir können uns fast nicht vom faszinierenden Gesang der Mönche trennen.
Wie wir feststellen, sind heute fast all unsere Leute irgendwo in der Stadt unterwegs. Da wir uns zum gemeinsamen Mittagessen verabredet haben, treffen am Mittag aber alle wieder im Hotel ein. Im Hotelrestaurant ist man mit den Vorbereitungen einer nächsten Feier, einer Tauffeier beschäftigt. Wie sich später zeigt, steht diese Feier der gestrigen Hochzeit punkto Lautstärke, Tanz und Ausgelassenheit in nichts nach! Für Familienfeste legen rumänische Familien alles was sie können zusammen, bzw. verschulden sich sogar hoch dafür!
Hier ist es problemlos möglich, dass der Gast seinen eigenen Apéro ins Restaurant mitbringt. Heute hat Stefan zum Apéro je eine Flasche “Zaraza” und selbstgebrannte “Ţuica” mitgebracht. Sagen die unterschiedlichen Suppenbestellungen etwas darüber aus, wie gut sich die/der Einzelne inzwischen mit der rumänischen Küche auskennt? Einige entscheiden sich nämlich für griechische Hühnersuppe und andere bevorzugen Kuttel- oder Rindfleischsuppe.
Auf einer kurzen Stadtrundfahrt lernen wir auch die ganz schlimmen Seiten der herrschenden Armut kennen. Man kann kaum glauben, dass die verrauchten, trostlosen Blöcke aus der Ceauşescuzeit überhaupt noch bewohnt sind. Aber in den viel zu kleinen Wohnungen leben 6 bis 8-köpgige Familien – Ohne Strom, ohne Wasser und ohne Heizung! Am Friedhof, am Frauengefängnis und an Erzfabriken vorbei kommen wir aufs Land. Weil die Region Maramureş für ihre Holzkirchen weltweit bekannt ist, besuchen wir in Şurdeşti diejenige Kirche mit dem höchsten Turm. Die Empore der Kirche (nur über eine Einbaum-Leiter zu erreichen) ist für die unverheirateten Leute bestimmt. Entweder man ist beweglich genug für die abenteuerliche Leiter, oder es ist höchste Zeit zum Heiraten! Sowohl für die Kirche als auch beim Bau des 72 Meter hohen Turmes wurde kein einziger Nagel verwendet. Auf der Rückfahrt zum Stadtzentrum lernen wir einen weitern Teil von Baia Mare kennen. Da die Tauffeier noch länger auf einem, jegliches Gespräch verhindernden Lärmpegel anhält, nehmen wir das Nachtessen in einem etwas lärmgeschützteren Chambre separée ein.

17.09.02007 Schulanfang + Dieselknappheit
Heute ist nicht nur der erste Tag der Woche oder der achte Tag unserer Reise. Heute ist auch der Anfang des Schuljahres in ganz Rumänien. Deshalb besuchen wir ein ganz spezielles Schulhaus im Romadorf Kolto. In diesem 360-Familiendorf gab es bis vor drei Jahren kein Schulhaus. Dank der Initiative von CarElvetia konnte eine Halle einer ehemaligen Geflügelzucht repariert und als Schulhaus eingerichtet werden. Die ganze Inneneinrichtung und die Möbilierung konnten mit Hilfsgütern aus der Schweiz realisiert werden. Dass es dazu kam, ist das Resultat der guten Zusammenarbeit aller Beteiligten: des örtlichen Romakönigs, des politisch zuständigen Primars, der Vertrauensleute von CarElvetia und Kempf’s aus Schänis zu verdanken.
Die notwendigen Arbeiten wurden von den örtlichen Roma ausgeführt und vom CarElvetia-Vertrauensmann Stefan begleitet. Die Gemeinde organisierte die Wasser- und Energiezuleitungen und ist seit Inbetriebnahme für das Lehrpersonal zuständig.
Das Resultat bestätigt, dass der Einsatz für die Realisierung eines Schulhauses in Kolto richtig war: Rund 300 Kinder besuchen in zwei Tages-Schichten den Kindergarten und die Klassen I –IV. Die freudigen Gesichter mit den dunkelbraunen Augen der vielen Romakinder beweisen den Sinn und die Notwendigkeit dieses Schulhauses. Am späteren Vormittag überlassen wir die Kinder und die, mit Blumen zum Schulanfang beschenkten, Lehrerinnen ihrem Schulbetrieb.
Die Ausbildungsstätte im Roma-Teil des Dorfes hatte zur Folge, dass das Schulhaus für die Klassen V-VIII im Dorfzentrum bald zu klein wurde. Also hat der Primar den Bau eines neuen Schulhauses für die oberen Klassen durchgeboxt. In diesem Zusammenhang erhielt er auch die Bewilligung für den Bau einer grossen Turnhalle. Mit dieser Bewilligung und den damit verbundenen Auflagen (Matchgrösse für internationale Sportveranstaltungen) machte er sich im EU-Raum auf die Suche nach Sponsoren. Weil er rasch fündig wurde, wird Kolto schon in diesem Winter über die einzige grosse Sporthalle in Nord- und Westrumänien verfügen. Der Primar verspricht sich für Kolto die Aktivierung als Sportzentrum. Die volle Auslastung der Halle (Schule + Turniere) für das nächste halbe Jahr scheint schon gesichert zu sein!
An mehreren neu angesiedelten Betrieben vorbei fahrend, kommen wir zurück in die Stadt. Beim Mittagessen im Parkrestaurant genehmigen wir uns nochmals einen von Stefan’s Spezial-Apéros. Der Zeitpunkt für den Abschied rückt definitiv näher und schon bald sind wir auf recht guten Strassen unterwegs nach Cluj-Napoca. Die vielen Eindrücke der letzten Tage geben viel Stoff für Gespräche. Aber auch die Anstrengungen machen sich bemerkbar. Die ruhige Fahrt wird nur unterbrochen von zwei Tankstopps in Dej, einem Tankstopp an einer schönen PETROM-Station für die Galerie und einem zweiten Stopp bei LUKOIL zum Tanken und Scheiben putzen. Via Gherla, mit seinem berüchtigten Gefängnis mit dem eigenen Friedhof, kommen wir am späteren Nachmittag nach Cluj-Napoca. Mitten im Kuchen der Stadt setzt uns der Chauffeur bei einem Hotel ab, welches von aussen nicht unbedingt einen guten Eindruck macht. Innen aber sieht man, dass dieses Haus noch nicht lange eröffnet ist. Die Zimmer, die Einrichtung, die Ruhe und auch der Frühstücksraum sind eines letzten Abends einer Reise würdig.
Zum Nachtessen gehen wir ein paar Hundert Meter zur “grösseren Schwester” unseres Hotels. Im feinen Restaurant „Marco Polo“ lassen wir bei einem Glas „Feteasca Neagra“ den letzten Abend in Rumänien ausklingen*.
* Der Ausklang wurde in einem rauchverhangenen Studenten-Spunten, einer Empfehlung von Tibi, noch etwas in die Länge gezogen.

18.09.2007 Chauffeur’s Ţuica
Trotz der Notwendigkeit des flugtauglich Packens, finden sich nach dem Frühstück noch ein paar Wissensdurstige für eine Kulturwanderung durch die Innenstadt von Cluj-Napoca ein. Schon bald steht aber Ioan mit dem Bus bereit zur Fahrt nach Târgu Mureş. Ein kurzer Abstecher ins Stadtzentrum von Târgu Mureş verschafft noch die Möglichkeit für eine letzte Postkarte, eine warme Suppe oder das Nachholen eines verpassten Schnappschusses. Nachdem wir am Flugplatz von Chauffeur Iaon’s “Affinata” und “Ţuica” versucht haben, geht alles rassig: Gepäckkontrolle, Check-in und Boarding. Nach einem kurzen Umsteigeaufenthalt in Budapest befinden wir uns schon bald müde und voller Eindrücke in Zürich wieder.
Sicher werden einige Bekanntschaften und Freundschaften diese Reise überdauern. Denn eine Nachbesprechungszusammenkunft ist ja auch schon provisorisch diskutiert worden!
Anhang:Während der ganzen Reise bannte einer der Teilnehmer immer wieder Sequenzen auf Film. Im Februar 2008 hat er alle Rumänienreisenden zu einer Vorführung in sein privates Vorführ-Kino eingeladen . Herlichen Dank im Namen Aller für die grosse Arbeit.

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