Zurück von der 63. Reise

Als Voraus-Arbeit für diese Hilfsgüterreise ging am 31.Mai 2010 ein Sattelschlepper mit über 10 Tonnen Hilfsgütern für die Berufsschule in Pildesti auf die Reise. Unsere Vertrauensleute in Baia Mare erledigen die Papiere beim rumänischen Zoll so dass wir direkt nach Ostrumänien fahren können.
Mit diesem Transport, unserer 63. Hilfsgüterreise, werden wir mit dem 94. Sattelschlepper über 1000 Tonnen Hilfsgüter nac h Rumänien gebracht haben!

Dienstag, 8. Juni: Wegfahrt in Schänis kurz vor 03:00h. Bei bereits 17°C und klarem Himmel scheint es einen schönen Tag zu geben. Sechs Stunden später sitzen wir beim Frühstück in der Nähe von Linz bei den Eltern von Sr. Patrizia, von wo wir zusätzlich zwei Koffer mit wichtigen Hilfsgütern nach Raducaneni mitnehmen sollen. Vorbei an leer stehenden Zollgebäuden gelangen wir auf die ungarische Autobahn. Die Verpflegung unterwegs besteht aus Früchten und “Jausebroten”. Gegessen wird jeweils bei Boxen-Stops welche auch der Versorgung mit kühlem Mineralwasser, zum Tanken und zum Beine-Vertreten dienen. Wir wechslen uns ab am Steuerrad und kommen deshalb schon um 18:00h in Oradea, der ersten Stadt nach der Grenze, in Rumänien an. Wir übernachten im Gasthaus am “Crisul repede” und können bei 30°C ein gutes rumänisches Nachtsessen auf der Terrasse über dem Fluss geniessen.

Mittwoch, 9. Juni: Die heutige Fahrt führt über die Hügel der Ausläufer des Apuseni-Gebirges. Bei einem Halt am Stadtrand von Cluj, der ersten grossen transilvanischen Stadt, treffen wir ein paar “gfürchig” aussehende Biker in schwarzen Ledermonturen. Als sie die Jacken ausziehen kommen viele Tätowierungen und T-Shirts mit Furcht erregenden Symbolen und Schriftzügen zum Vorschein. Wir kommen ins Gespräch und stellen fest, dass es sich um durchwegs sehr anständige junge Männer aus dem Osten Deutschlands handelt. Da sie das erste Mal in Rumänien unterwegs sind, haben sie sich von den Landkarten in die Irre führen lassen. Sie meinen tatsächlich, dass von hier eine Autobahn bis Constanza am schwarzen Merr (ca. 500 km) führt. Das steht zwar so auf der Landkarte, effektiv gibt es aber erst ein paar wenige Abschnitte Autobahn in Rumänien. Der Rest sind schlechte bis sehr schlechte Landstrassen!
Auf einer dieser mittelprächtigen Strassen chauffiert Idda-Marie unseren Allrad-Volvo über die Hochebene von Cluj bis Reghin. Nach dieser Stadt erleben wir eine Ueberraschung; Die Strasse der Mures entlang (ca. 70 km) ist geflickt! Nach den bisherigen Reparaturen war der Belag meistens schon nach dem nächsten Winter wieder in alten katastrophalen Zustand. Nach einem Tankstop in Gheorgheni nehmen wir den nächsten Pass ins Visier. Der Bären- oder Bicazpass bietet, speziell beim herrschenden schönen Wetter, die Kulisse für mehrere Naturwunder. Einerseits ist da der Naturstausee, welcher durch einen Bergsturz entstand. Rumänisch heisst er “Lacu rosu”, also roter See und aus dem Ungarischen übersetzt ist es der “Mördersee”. Andererseits fährt man auf der östlichen Seite des Passes auf einer der steilsten Strassen durch die Bicaz-Schlucht. Hier ragen links und/oder rechts der Strasse die Felsen z.T. über tausend Meter senkrechts i ndie Höhe. Diese Naturschauspile sind natürlich der Stoff aus welchem in Jahrhunderten viele Geschichten und Mythen entstanden sind. Aber dieser Pass über die Ostkarpaten hat selbst auch mehrfach Geschichte geschrieben. In der Zeit der Türkeninvasionen war er ein wesentliches Hindernis in Richtung Westen und später bildete er in der österreichisch-ungarischen Monarchie die Ostgrenze Siebenbürgens. Weil es lange schön hell ist, fahren wir weiter bis Roman, wo wir heute übernachten.

Donnerstag, 10. Juni:
 Heute machen wir uns bei Zeiten auf den Weg und können schon um halb elf Uhr bei Sora Veronica in Iasi klingeln. Sie ist freudig überrascht, uns vor der Türe zu sehen! Sie rupft gerade die “Jumbo”-Hühner für das morgige grosse Essen. “Morgen sei die Weihe von 24 Jungpriestern in Iasi und das (Pfarr)-Haus sei dann voller Gäste” teilt sie uns mit. Ihr momentaner Chef, Parintele Edi offeriert uns, mit Sora Veronica und uns zusammen am kommenden Samstag das Grab von Parintele Anton in Faroani zu besuchen. Pr. Anton war einer unserer grossen Helfer in Rumänien ab der ersten Stunde. Leider ist er , erst 50-jährig, im Februar dieses Jahres an Krebs verstorben. Wegen starker Schneestürme kamen wir damals nicht über Wien hinaus und konnten seiner Beerdigung deshalb nicht beiwohnen.
Nach ein paar Besorgungen in Iasi fahren wir weiter nach Raducaneni. Nach einem Kaffee entlade ich das Auto, während Idda-Marie mit den Schwestern einen Hausbesuch macht. Es folgen Gespräche mit Nachbarn und, am Abend natürlich ausgiebig, mit den Schwestern. Bald aber zieht es uns zu den Notbetten in “unser” Kellerzimmer.

Freitag, 11. Juni: Heute stehen Kindergarten-KIGA-Inspektionen auf dem Programm. Frau Felicia, die KIGA-Leiterin, und die Angestellten sind voll des Lobes über die gewaltigen Erleichterungen welche die Renovation des “grossen” KIGA in allen Bereichen bringt. Im “kleinen” KIGA ist dei Situation leider so, dass erst die notwendigsten “Pinselrenovationen” vorgenommen werden konnten.
Ein Augenschein bestätigt uns, dass das Mauerwerk und das Dach dringend geflickt, und dass die Fenster und Türen ebenso dringend ersetzt werden müssen. Wir werden versuchen, den Primar (Bürgermeister) für die Unterstützung und die Bewilligung einer solchen Renovation zu motivieren. Dies im Wissen darum, dass die Behörden mit ähnlicher Dringlichkeit mehrere andere Projekte realisiersen müssen und müssten.
* Grosser KIGA = Ganztages-Kindergarten / Kleiner KIGA= Halbtages-Kindergarten

Samstag, 12. Juni:Der frühe Morgen in Stichworten: Start um 6 Uhr – Gedenkmesse für Pr. Anton in Iasi – Frühstück im Pfarrhaus. Kurz nach acht Uhr starten wir in Pr. Edi’s Auto. Dank seiner rassigen Fahrt können wir je einen Kurzbesuch bei Adi in Bacau (auch einer unserer ehemaligen Studenten) und bei der Mutter von Sora Veronica in Cleja einschieben. Rechtzeitig kommen wir beim Friedhof in Faoani an, Pr. Antons Geschwister sind fast vollzählig anwesend. Während der gedenkgebete bewundern wir den schönen Grabstein und die Umrandung des Grabes. Nun fahren wir zum Hof von Simona und ihrer Familie. Simona, die jüngste Schwester von Pr. Anton selig, hat für die ganze Gesellschaft das Essen gekocht und war deshalb nicht auf dem Friedhof. Es gibt ein typisches rumänisches Gericht für spezielle (festliche) Tage mit “Ciorba” der Sauercrèmesuppe, “Sarmale” den Krautwickeln sowie Hühner- und Schweinefleisch “la gratar” – also direkt vom Feuer. Da Pr. Edi auf 16:00h eine Taufe angesetzt hat, befinden wir uns bald schon wieder auf dem Heimweg.
So bleibt uns noch geügend Zeit um in Iasi ein paar notwendige Sachen einzukaufen, uns in Raducaneni frisch zu machen und die Kleider zu wechseln. Denn um 19:30h haben wir in Iasi schon wieder eine Einladung zum Nachtessen, bei welchem auch wieder (direkt und indirekt) über unsere weiteren Aktivitäten und deren Entwicklung/Dynamik gesprochen wird. Um 22:00h, zurück in Raducaneni, merke ich, dass die Länge und die Eindrücke des heutigen Tage ihren Tribut in Form von Müdigkeit fordern.

Sonntag, 13. Juni: Der sonntägliche Besuch des Gottesdienstes ist für viele Leute ein wichtiger Bestandteil des, sonst oft beschwerlichen, Lebens. Die Kirche ist trotz des schönen Sommerwetters fast bis zum letzten Platz voll. Vorne stehen sogar noch ca. 50 – 60 Kinder. Als ich zur Kommunion gehe, nimmt mich ein kleiner Bube bei der Hand und ich bemerke sofort, dass es unser Göttibub Luca ist. Mit diesem guten Erlebnis starte ich in den Sonntag. Auf dem Weg durchs Dorf treffen wir einige Leute mit denen sich in den letzten Jahren Freundschaften entwickelt haben: Da ist Catalin der Schreiner der uns bei “hölzigen” Provisorien und beim Einbau der KIGA-Küche geholfen hat. die Lehrerin Ioana welche die Kontakte in mehr als einer Schule erleichtert oder iniziiert hat oder der Lehrer Costel der uns bei der ersten Schulhausreparatur (in Zberoaia) als “Bauleiter” unterstützt hat. Alle diese Gespräche erinnern uns immer wieder an einmalige Erlebnisse in z.T. schwierigen Phasen unserer Aktivität in Raducaneni!
Heute steht ein Grilltag mit Leuteb der Gruppe “Speranta” auf dem Plan. In dieser Gruppe treffen sich wöchentlich Personen, welche von ihrer Alkoholabhängigkeit loskommen wollen, zum Gespräch bei den Schwestern. Zum heutigen Picknick sind alle mit ihren Familien eingeladen. Neben viel Material fürs Picknick finden auch noch vier Mädchen in unserem Auto Platz. Beim Rastplatz im Wald angekommen ergibt sich automatisch ein gute Arbeitsteilung. Während einer der Männer schon kunstvolle Apéro-Dekorationen herstellt, sind andere beim Holz suchen oder beim Ausbreiten von Wolldecken. Auch hier gilt: Zuviele Köche verderben den Brei! Deshalb sind die einen Kinder und ein paar Männer (darunter auch ich) mit verschiedenen Ballspielen beschäftigt, während schon Gitarrenklänge und Gesänge durch die Luft schwirren. Beim Essen an der “Waldboden-Wolldecken-Tafel” ist die herrschende enge Gemeinschaft förmlich spürbar. Im grossen Palaver geht die Zeit vergesssen und es heisst bald schon: Zusammen räumen!
Beim Abendessen in kleineren Kreis drehen sich die Gespäche automatisch wider um unseren aktuellen, und die allfällig zukünftigen Hilfsprojekte. Uebrigens, um 18:00h zeigt das Thermometer noch 40°C im Schatten an!

Montag, 14. Juni:
Bevor wir uns auf den Rückweg machen, sind mit den Schwestern noch diverse Details bezüglich der einzelnen Unterstützungen zu besprechen da sich in den nächsten Tagen und Wochen Mutationen in den personellen Zuständigkeiten ergeben werden. Dies vor allem darum, weil Sr. Patrizia ihr Auszeit-Jahr antreten, und Sr. Anna vorübergehend die Pendenzen behandeln wird. Am Mittag kommen wir im Bezirkshauptort Iasi an und können gleich unsere heutige Unterkunft beziehen. Den überraschend “freien” Nachmittag nutzen wir um die Stadt zu Fuss etwas zu erkunden. Am Abend führen wir beim Essen ein abschliessendes Gespräch mit einem unserer Studenten der an hier ein Wirtschaftsstudium absolviert.
Beim “Gute-Nacht-Trunk” werdenwir von einem Wind-Gewitter-Sturm überrascht. Draussen fliegen die Bäume durch die Luft und der aufgewirbelte Strassenstaub und -Sand reduziert die Sichtweite merklich. Sicherheitshalber parkiere ich unseren Volvo in eine vermeintlich geschütztere Ecke vor dem Haus. Es geht aber nicht lange, da kommen Einzelteile von Bistroeinrichtungen (Tische, Stühle, Sonnenschirme usw.) zu Hauf zu fliegen und ich bin froh darüber, wenigstens unverletzt wieder in die Hotelhalle zu gelangen.
Am nächsten Morgen entdecke ich, dass unser Auto von einem der riesigen Sonnenschirme getroffen worden ist. Allerdings offenbar nur mit Teilen, welche mit Textilien umspannt waren, weshalb die Beschädigungen schlimmer aussehen als sie sind. Die meisten Spuren lassen sich mit einem feuchten Lappen abwischen und den hartnäckigeren Spuren schafft zu Hause eine Politur Abhilfe.

Dienstag, 15. Juni: Als wir am Morgen in der Berufsschule in Pildesti eintreffen, haben wir bereits 100 Kilometer des Weges hinter uns. Hier kontrollieren wir den Ablad unseres Hilfsgütertransportes udn schauen für eine optimale Plattzierung der Waren. Kleine Beispiele davon sind
a) die Matratzenauflagen (BICO) aus welchen die Schülerinen bereits Decken für das Kinderhaus in Iasi genäht haben
b) die Holzhäuschen, welche als Notunterkünfte für Obdachlose und auch als Lagerhäuser für Jugendgruppen gebutzt werden
c) die Turnmatte und die Trampoline (aus Kaltbrunn) welche sich bereits im Einsatz im Turnkeller und in zwei Unterstufenschulen befinden.
Kanpp vier Stunden brauchen wir für den Weg nach Poiana Micului. Die letzten 10 Kilometer des Weges hierhin bestehen aus bachbettartiger Naturstrasse. Unser Besuch hier gilt der Kontrolle dse Fortschrittes in dem von uns unterstützten Projekt. Nach dem aufschlussreichen Gespräch mit dem Projektleiter geht es rassig weiter, da wir möglichst heute noch in Câmpulung Moldovenesc mit Pr. Petrica unser dortiges Porjekt besprechen wollen. Kurz vor sechs Uhr beziehen wir unser übliches Zimmer in der Pensiunea Bucovina. Schon ein paar Minuten später suchen wir Pr. Petrica auf. Im Verlauf des lebhaften Gespräches erfahren wir viele Einzelheiten über all seine Aktivitäten.
Wie meist bei diesen Gesprächen geht es um Kontrollen eines (Bau)-Fortschrittes und/oder den Einsatz von Material und Mitteln im Sinne der Spender. Voll von den positiven Eindrücken gehen wir um acht Uhr zu Fuss zurück zur Pension und zum späten Nachtessen.

Mittwoch, 16. Juni: 
Heute liegen 300 Kilometr bis Baia Mare vor uns. Nach dem ersten Viertel dieser Strecke kommen wir auf bessere bis sogar gute Strassen. Anfangs begleitet uns auch noch gutes Wetter, das dann allerdings in längeren Regen umschlägt. Am späteren Nachmittag beginnt eine Besprechung mit Magdalena und Stefan, unseren hiesigen Vertrauensleuten. Die Hauptthemen sind der soeben abgeschlossene Transport (Stefan erledigt jeweils die ZOllformalitäten in Rumänien für uns), aktuelle Fragen der Hilfeleistungen und die zukünftigen Aktivitäten. Vor dem Nachtessen im fast leeren Hotelrestaurant bereite ich das Gepäck für die morgige Rückfahrt vor.

Donnerstag, 17. Juni: Vor dem Frühstück mache ich einen Lauf durc hdie Stadt. Dabei bemerke ich wie sich das Stadtbild verändert hat. Neue Restaurants und kleine Geschäfte, welche frische Sandwiches nach Wahl anbieten, sind entstanden. Verschiedene, ehemals total heruntergekommene, Gebäude wurden abgerissen oder werden renoviert. Die Strecke bis zur Grenze besteht aus fats 200 Kilometern Baustelle – aber wenigstens wird die Strasse geflickt.Rund 20 Killometer vor Budapest geraten wir in einen Stau welcher höchst wahrscheinlich wegen Bauarbeiten an der Umfahrungs-Autobahn entstanden ist. Bei einer der nächsten Ausfahrten wähle ich deshalb eine Alternativroute – die alte Stadtdurchquerung.
Weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass bei schlechtem Wetter abends jeweils innert kurzer Zeit alle Zimmer in der Nähe der Autobahn belegt sind, reserviere ich zur Sicherheit telefonisch ein Zimmer in einer Raststätte in der Nähe von Wien.

Freitag, 18. Juni: Nach einem üppigen Frühstück hält uns hier nichts mehr zurück. Für die Rückfahrt in die Schweiz haben wir gutes Reisewetter. Nach kurzen Stops im 2-Stunden-Rhythmus bildet das Trofana bei Landeck die vorletzte Station – ein Halt um örtliche Wurstspezialitäten zu kaufen. Die letzte Station, unser Zuhause, erreichen wir gesund und glücklich gegen 17 Uhr.

Aufgeschrieben Ende Juni 2010 von Karl Kempf